BÜRGERVEREINE IN HAMBURG – WO KOMMEN WIR HER UND WO WOLLEN WIR HIN?

Anlass für die Gründung der Bürgervereine war die vor allem in Mittelstand, Handwerk und bei den einfachen Bürgern gewachsene Erkenntnis, dass ihre Anliegen in den Händen der erbgesessenen Bürgerschaft und des Senats nicht so gut aufgehoben waren, hier standen im Fokus der Bemühungen Hamburg als Handelsstadt und der Hafen.

Die 40er und 50er Jahre des 19. Jahrhunderts brachten Unruhe in die bis dahin doch relativ ruhige „Stadtgesellschaft“. Der Große Brand von 1842, der ein Viertel der Stadt zerstört und rund 200.00 Menschen obdachlos gemacht hatte, und die Wirren des Revolutionsjahrs 1848 waren gewissermaßen der Weckruf an viele Bürger, sich außerhalb der „offiziellen“ Gremien zu engagieren und ihre Forderungen als „Bürgerverein“ zu artikulieren.

In einer an den Senat gerichteten Erklärung fassten sie ihre Wünsche zusammen, wie z.B. breitere und bessere Straßen, aber auch eine Reform der Verwaltung und eine neue Verfassung. Die „erbgesessene“ Bürgerschaft sollte durch eine gewählte Vertretung abgelöst werden.

Im Herbst des Jahres 1859 erlebte Hamburg zum ersten Mal einen Wahlkampf und hier mischten die Bürgervereine kräftig mit. Viele der von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten wurden als Bürgerschaftsabgeordnete gewählt, darunter auch Dr. Johannes Versmann, Mitglied des BV St. Pauli und neuer Präsident der Hamburgischen Bürgerschaft.

Nun ging es Schlag auf Schlag, immer mehr Vereine gründeten sich, zunächst in den Außenbezirken, dann auch in der inneren Stadt. Schon bald wurde der Wunsch nach einem Zusammenschluss hörbar, um die Schlagkraft zu verbessern, und so gründeten am 7. Juni 1886 insgesamt 10 Bürgervereine den Zen- tralausschuß Hamburgischer Bürgervereine. Ihr erster Präses war Pastor Otto Schoost. Mitglied der Vereine sollten aber nur sog. „Hamburger Bürger“ sein, die in einem formellen Verfahren das Bürgeramt erworben und den Bürgereid abgelegt hatten. Eines der ersten Themen, mit denen sich der ZA beschäftigte, waren die mangelnden hygienischen Verhältnisse in der Trinkwasserversorgung, leider noch ohne Erfolg, wie sich 10 Jahre später in der Cholera-Epidemie von 1892 herausstellen sollte.

Dessen ungeachtet erlangten die Bürgervereine zunehmend Achtung und Erfolg im öffentlichen Leben, sie kümmerten sich um ihre Stadt und sie wurden gehört. An der Vielfalt der Themen mangelte es nicht, von der Stadt- und Untergrund- bahn bis hin zur Groß-Hamburg-Frage.

Im Ersten Weltkrieg kümmerte sich der ZA fast ausschließlich um die Versorgung der im Felde stehenden Bürger mit sog. „Liebesgaben“, d.h. sie kümmerten sich um die praktische Versorgung der Soldaten und schufen Möglichkeiten der Kommunikation mit der Familie.

Nach dem Krieg traten dann wieder Hamburger Probleme in den Vordergrund. Besonders heiß wurde in den ersten Nachkriegsjahren erneut das Thema „Groß-Hamburg“ diskutiert, denn Hamburg platzte aus allen Nähten, und 1924 veranstaltete der ZA den ersten großen Bürgertag. Das Thema „Groß-Hamburg“ blieb auf der Tagesordnung bis 1938, bis es schließlich durch das Groß-Ham- burg-Gesetz abschließend geregelt wurde.

Während der Zeit des Nationalsozialismus verloren die Bürgervereine zunehmend an Bedeutung. Hatten sie zu Beginn noch versucht sich zu arrangieren und ihren Stellenwert in der Stadt zu erhalten, indem sie Juden von der Mitgliedschaft ausschlossen, so mussten sie im weiteren Verlauf doch feststellen, dass für sie eigentlich kein Platz mehr war und eigenständige Vereine neben den zahlreichen Parteiorganisationen keinen Spielraum mehr hatten. Und so ruhten bei vielen Vereinen die Aktivitäten.

Erst im Frühjahr des Jahres 1946 konnten die Bürgervereine wieder aktiv wer- den, nachdem die britische Militärregierung im März d.J. ausdrücklich die Wie- deraufnahme der Arbeit des Zentralausschusses gestattet hatte; zum neuen Präses des ZA wurde Gustav J. C. Süßmilch gewählt.

Arbeit gab es genug, alle Vereine waren von einem „leidenschaftlichen Aufbau- willen“ geprägt. Sie kümmerten sich um alle Dinge des täglichen Lebens, aber sie machten auch Vorschläge zum gezielten Wiederaufbau in den Bezirken. Vie- le Vorschläge fanden Eingang in die Arbeit von Senat und Bürgerschaft, aber auch in den Bezirken und Stadtteilen konnten sie konkrete Spuren hinterlassen. Und das ist eigentlich auch noch heute unsere Aufgabe, nämlich in den Stadttei- len daran mitzuwirken, dass die Interessen der Bürger gewahrt und Strukturen geschaffen werden, die den Bürgern nutzen und dienen.

Auf diese Aufgabe sind wir auch heute noch stolz und so bringen wir uns in die Alltagsprobleme der Stadt ein, vornehmlich in unseren Stadtteilen, aber auch -wo erforderlich – darüber hinaus.

(Dr. Herlind Gundelach, Präses des ZA)

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